Nachlese 2022

Das Lesefestival QUEER gelesen 2022 fand nach dreijähriger Pause am letzten Augustwochenende in der Bar jeder Sicht statt. Erstmals waren nur für den Freitag und Samstag Lesungen geplant, dafür wurden die Beiträge bunter und queerer, denn nicht nur schwule, lesbische und transgender Lesungen sollten einen Platz haben, sondern auch weitere Facetten des Regenbogens einen Platz finden. So wurden erstmals auch Texte zum Thema Intersexualität und Queerness vorgestellt, ebenso fanden zum ersten Mal (vorwiegend) schwule Gedichte einen Platz bei QUEER gelesen.

Eröffnungslesung mit Michael Bohl

Freitag – Geschichten aus der Nichtmillionenstadt
Die Auftaktlesung mit Michael Bohl wurde dieses Mal von der Bar jeder Sicht organisiert, die den Frankfurter Autor und sein Debüt „Nichtmillionenstadt“ für eine Lesung gewinnen konnten. Die Lesung startete, nach einigen kleineren Unstimmigkeiten, um 20 Uhr – Michael Bohl entschied sich für eine interaktive Lesung, bei der er neben verschiedenen Szenen aus seinem Debüt auch eine offene Fragerunde nach jeder Passage ermöglichte und eine Menge von den Hintergründen zur Geschichte preisgab. Allerdings wirkte sich das Konzept stark auf die Länge der Lesung aus – nahezu zwei Stunden waren letztendlich doch ein wenig lang für eine Lesung, zumal die Aufmerksamkeit der Zuhörer*innen nach einer kurzen Pause spürbar nachließ. Hier wäre eine kürzere Lesung mit abwechslungsreicheren Szenen sicherlich nicht verkehrt gewesen.

Tanja Meurer liest aus ihrer Kurzgeschichte “Helden”

Samstag – von queeren Kindergeschichten, mysteriösen Häusern und dem Outing einer Lehrerin
Am Samstag starteten die Lesungen bereits um 14 Uhr mit der Anthologielesung „Wie ein bunter Traum“. Die Autorinnen Susanne Eisele, Jennifer Hauff, Tanja Meurer und Juliane Seidel lasen vor einem interessierten Publikum aus ihren queeren Kurzgeschichten für Kinder und Jugendliche, die in den Benefizanthologien „Kinderträume“ und „Teenie-Träume“ erschienen sind.

Im Anschluss starteten die regulären Lesungen – dieses Mal sollte das gesamte LGBTIQ-Spektrum abgedeckt werden. Den Anfang machte die Münchner Autorin Sabine Brandl, die bereits mehrmals bei QUEER gelesen zu Gast war und dieses Mal ihren Mysterythriller „Das Rätsel um Cecile“ im Gepäck hatte, in dem sich die Schriftstellerin Lena mit einem mysteriösen Familiengeheimnis, und einer seltsamen Frau herumschlagen muss. Die Lesung war sehr spannend und sorgte für Gänsehautmomente – in mehrfacher Hinsicht.

Als nächstes stand die humorvolle Lesung der rheinländer Autorin Georgie Severin an, die aus ihrem Debüt „Operation Forever K“ las, in dem es um vier schwule Männer geht, die ein freies WG Zimmer an die taffe K vergeben, was zu ungeahnten Problemen führt, aber auch viele Vorzüge mit sich bringt. Die Autorin las aus mehreren Szenen und konnte die Zuhörer*innen mit ihrer lockeren, humorvollen Art begeistern. Eine schwungvolle Lesung, die Lust auf mehr machte.

Georgie Severin bei ihrer Lesung aus “Operation Forever K”
Martin Wolkner beim Vorstellen seiner queeren Gedichte.

Vor der großen Pause stellte schließlich Martin Wolkner eine Auswahl seiner schwulen Gedichte vor. Der Autor sprang kurzfristig für Talia May ein, die ihre Lesung aus familiären Gründen absagen musste, und bescherte mit seinen facettenreichen, mal nachdenklich stimmenden, mal erotischen Werken QUEER gelesen erstmals eine Lyrik-Lesung.

Nach einer längeren Pause starteten die Abendlesungen – in einer voll besetzen Bar mit etlichen Zuhörer*innen. Den Anfang machte die Mainzer Autorin und Lehrerin Verena Fries, die aus ihrer humorvollen und autobiografischen Kurzgeschichte „Kreis der Wahrheit“ las, in dem es um das Thema Outing geht und welche Schwierigkeiten damit einhergehen. Verena Fries hat eine sehr lockere, angenehme Art zu lesen und zog sämtliche Besucher*innen in ihren Bann.

Im Anschluss erwartete die Zuhörer*innen eine spannende, informative Lesung von Jennifer Hauff, die ihren Thriller „Verschnitt“ präsentierte. Neben Szenen aus dem Buch hatte die Autorin eine gelungene, sehr informative Präsentation zum Thema Intergeschlechtlichkeit vorbereitet und erzählte sehr ausführlich, wie sie für ihr Buch recherchiert hat. Ein absolut gelungener Beitrag, der für viele Diskussionen sorgte.

Lesung und Präsentationen der Thrillers “Verschnitt” von Jennifer Hauff

Die letzte Lesung des Abends bestritt Carmilla DeWinter, die ihren queeren Fantasyroman „Lokis Fesseln“ vorstellte, die Besucher*innen mit in die nordische Mythologie entführte und eine gänzlich andere Loki präsentierte. Die vorgestellte Szene machte auf jeden Fall Lust auf mehr, zumal sich Carmilla deWinters Version von Loki von den üblichen Vorstellungen unterschied.

Fazit:
Das Lesefestival QUEER gelesen war trotz aller Widrigkeiten (etliche Konkurrenzveranstaltungen, kurzfristige Absagen und einigen kleineren Unstimmigkeiten) auch 2022 eine tolle Veranstaltung, die gezeigt hat, dass Lesungen noch immer gefragt sind. Obwohl QUEER gelesen nur an zwei Tagen stattfand, kamen über den Samstag verteilt knapp 50 Besucher*innen und lauschten den abwechslungsreichen, queeren Texten der teilnehmenden Autor*innen. Damit steht fest, dass es im kommenden Jahr ein weiteres Lesefestival geben wird – ebenfalls auf zwei Tage beschränkt und mit einer bunten Auswahl queerer Texte und Autor*innen. QUEER gelesen bedankt sich in diesem Zusammenhang beim Team der Bar jeder Sicht – ohne sie wäre eine solche Veranstaltung nicht möglich.

Insgesamt freuen wir uns, dass nach dreijähriger Pause die Lesungen und das Programm gefallen haben und freuen uns auf das nächste queere Lesefestival – wann es soweit ist, wird entsprechend bekannt gegeben.

Die lesenden Autor*innen

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